Weder Fisch noch Vogel: Energiewende ohne Atomausstieg

Bern,
08.12.2014 – Die Allianz Atomausstieg (in der auch PSR/IPPNW Schweiz vertreten ist) kritisiert den inkonsequenten
Nationalratsentscheid zum Atomausstieg scharf. Die Energiewende wurde
bejaht ohne den rechtzeitigen Schritt zur Abkehr von der Atomkraft
vorzunehmen. Die unmittelbare Gefährdung der Bevölkerung bleibt
bestehen. Das kann nicht hingenommen werden.

Der
Nationalrat hat heute die Revision des Kernenergiegesetzes im Rahmen
der Energie-Strategie 2050 des Bundes diskutiert Kaspar Schuler,
Geschäftsleiter der Allianz kritisiert: „Der entscheidende Schritt hat
der Nationalrat weit vor sich her geschoben: Es soll erst eine
Laufzeitbeschränkung für die Mehrheit der massiv überalterten Schweizer
AKW bei 60 Jahren geben! Das bei Atomkraftwerken, die für ursprünglich
30, allerhöchstens 40 Jahre ausgelegt waren.“ Sogar die heute minimalst
vertretbare Beschränkung wurde abgelehnt, die Laufzeitbefristung auf 50
Jahre für die 3 ältesten AKW der Schweiz. Sie müssten so innert der
nächsten Jahre vom Netz genommen werden.
 
Kaspar Schuler: „Mit der nun getroffenen 60-Jahre-Regelung kann das
älteste AKW der Welt, Beznau I, bis 2029 laufen gelassen werden. Damit
wird unverantwortlich um die AKW-Sicherheit gepokert, mit der ganzen
Schweizer Bevölkerung als Einsatz.“ Auch die Uralt-AKW Beznau und
Mühleberg könnten unverantwortlich lange in Betrieb bleiben, bis 2031
bzw. 2032. Schuler: „Da für die jüngeren AKW in Gösgen und Leibstadt
keine Befristungsregelung getroffen wurde, ist absehbar, dass sie sogar
nach Ablauf der Energiestrategie 2050 in Betrieb sein würden; ein
Irrsinn. Daran ändert auch das Bauverbot für neue AKW nichts.“
 
Mit diesem, vom Druck der AKW-Betreiber fehlgeleiteten
Nationalratsentscheid erhält die Energiestrategie des Bundes keine klare
Rahmensetzung. Es fehlt an Bedarfsnachweis und Planungssicherheit für
den Umbau auf die erneuerbaren Energien. So entsteht auch keine
Investitionssicherheit, weder für Private noch für industrielle
Investoren. Die Energie-Strategie 2050, das wichtigste Vorhaben zur
überfälligen energiewirtschaftlichen Stärkung der Schweiz, droht unter
dem altbekannten rückwärtsgewandten Druck der Atomkraftbefürworter zu
kollabieren. Die unmittelbare Gefährdung der Bevölkerung bleibt
bestehen.
 
Die Allianz Atomausstieg ist enttäuscht und wird das so nicht stehen
lassen. Sie ist ein Zusammenschluss von 38 Organisationen, die der
Atomkraft aus wohlüberlegten energiewirtschaftlichen und politischen,
ethischen oder medizinischen Gründen kritisch gegenüber stehen. 

Umso
wichtiger wird nun die Atomausstiegsinitiative, die für alle AKW eine
klare Regelung mit 45 Jahren Laufzeitbeschränkung etabliert.
Die Allianz appelliert jedoch vorab an den Ständerat, den gravierenden
Fehlentscheid des Nationalrates zu korrigieren, zugunsten einer
tatsächlich breit in der Bevölkerung getragenen Energiewende.

Zu den weiteren Entscheiden des Nationalrates
Zudem hat der Nationalrat heute folgende Veränderungen in Teilaspekten des Kernenergiegesetzes verabschiedet:
 

  • Langzeitbetriebskonzept: Neu
    wird ein Langzeitbetriebskonzept für den Betrieb der Atomkraftwerke
    eingeführt, was die Betreiber wenigstens zu zehnjährigen
    Planungsschritten bei AKW mit mehr als 40 Jahren Betriebsdauer
    verpflichtet.

 

  • Keine „steigende Sicherheit“ bei Nachrüstungen: Der
    Rat hat leider die „steigende Sicherheit“ bei Nachrüstungen abgelehnt,
    was die AKW nun ohne klare Rahmensetzung in den Betrieb bis 60 und mehr
    Jahre entlässt, trotz fortschreitender Überalterung mit immer grösseren
    Unfallrisiken. Die AKW in Gösgen und Leibstadt können so ohne
    gesetzliche Einschränkungen kostenoptimiert betrieben werden, auf Kosten
    der Sicherheit der Bevölkerung.

 

  • Wiederaufarbeitungsverbot: Immerhin
    hat der Nationalrat seine internationale Glaubwürdigkeit gestärkt und
    das bestehende, zehnjährige Moratorium für die Wiederaufarbeitung
    gebrauchter Brennstäbe in ein Verbot umgewandelt. Abgebrannte Brennstäbe
    bleiben so bei uns und die zusätzliche Umweltverseuchung durch die
    Wiederaufarbeitung entfällt. Das ist ein wichtiger Schritt, der auch für
    die permanent bedrohte und schleichend vergiftete Bevölkerung im Umfeld
    der Anlagen in Frankreich, England, Russland ein erster Lichtblick ist.

 
Der Nationalrat hat mit diesen Teilentscheiden eine augenfällige
Inkonsistenz bewiesen. Die Langzeitbetriebskonzepte zu bejahen, ohne zu
definieren, dass den überalterten Atomkraftwerken mit
Nachrüstungsmassnahmen zu „steigender Sicherheit“ verholfen wird, macht
keinen Sinn. Die Langzeitbetriebskonzepte sind so eine rein formale
Massnahme, ein Gesetzesartikel ohne Zähne.
Es bleibt die klare Pflicht des Ständerates hier Korrekturen vorzunehmen. Die atomkritische Bevölkerung erwartet das.