Jodtabletten schützen nur bedingt und schaffen keine Sicherheit

Medienmitteilung von Greenpeace, AefU und PSR/IPPNW Schweiz. 28.10.2014

Jodtabletten sind kein Wundermittel: Frühzeitig eingenommen
schützen sie zwar die Schilddrüse gegen radioaktives Jod, nicht aber die restlichen Organe und nicht gegen weitere gefährliche
Stoffe, die bei einem Atomunfall wie in Fukushima freigesetzt werden. Greenpeace
Schweiz, die Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AefU) sowie
die ÄrztInnen für soziale
Verantwortung und zur Verhütung eines Atomkrieges (PSR/IPPNW Schweiz) haben
heute an einem Mediengespräch in Bern über den Nutzen und die Grenzen der
Verteilaktion informiert: Sie fordern die Behörden und Politik auf, wirksamere
Massnahmen gegen die Risiken der Altreaktoren zu beschliessen.


«Bisher
war die Informationspolitik der Behörden irreführend: Im Notfall ist niemand
gut geschützt und wir müssten voraussichtlich ganze Städte evakuieren, obwohl
keine entsprechende Pläne vorhanden sind», so Florian Kasser, Atomexperte von
Greenpeace Schweiz. «Die Jodtabletten bieten einen minimalsten Schutz gegen
radioaktives Jod, gegen die anderen Folgen einer Atomkatastrophe haben die
Behörden keinerlei Antworten».



Es sei zwar sinnvoll,
Jodtabletten bereitzuhalten und im Katastrophenfall einzunehmen, sagte Alfred
Weidmann, Hausarzt und Vorstandsmitglied von AefU. Das Problem sei aber, dass
die Tabletten kurz vor dem Kontakt mit radioaktivem Jod eingenommen werden und
deshalb immer griffbereit sein müssten. Die Behörden hätten ein extrem kurzes Zeitfenster
zum Entscheiden. «Die Bevölkerung der Stadt Bern hätte bei einer Freisetzung in
Mühleberg je nach Windrichtung eine Stunde Zeit. In Tschernobyl hat es Tage
gedauert, bis die Menschen informiert wurden», so Weidmann.



Laut Jean-Jacques Fasnacht,
Präsident von PSR/IPPNW Schweiz, ist die
Freisetzung von radioaktivem Jod nur eine der möglichen Gefahren bei einem
nuklearen Unfall. «Zahlreiche weitere radioaktive Substanzen gefährden die
Gesundheit der Betroffenen und ihrer Nachkommen: Dagegen gibt es noch keine Präventionsmassnahmen
und wir wissen immer noch wenig über die langfristigen Auswirkungen der
Radioaktivität».

Eine
verbindliche Laufzeitbeschränkung für alle Schweizer AKW und die sofortige
Stilllegung der Altreaktoren seien für unsere Sicherheit wirksamer als
Jodtabletten, sagte auch Nationalrätin Martina Munz (SP/SH): «Jodtabletten sind
nur das «Pflästerli» zur Politik gegen das Abschalten der AKW». Die zuständige
Kommission des Nationalrates habe zwar einen ersten Schritt getan und sich
grundsätzlich von unbeschränkten Betriebsbewilligungen abgewendet. «Laufzeiten
von 60 und noch mehr Jahren sind allerdings immer noch möglich: Dieser
Entscheid ist fahrlässig und gefährdet die Bevölkerung in höchstem Mass», so
Munz.


 Neue
Website www.jodverteilung.ch

Um
die Politik zum Handeln zu bewegen, lanciert Greenpeace heute eine neue Kampagne-Website,
die über die Grenzen der Jodtabletten-Verteilung informiert und der Bevölkerung
neben einer Petition mehrere konkrete Handlungsoptionen anbietet: Wer die alten
Jodtabletten nicht mehr braucht, kann sie symbolisch
spenden und damit auf die Absurdität der Tabletten-Verteilung innerhalb
willkürlich festgelegter Grenzen aufmerksam machen; wer keine Jodtabletten erhält,
kann sie beim Bund bestellen und die Rechnung den AKW-Betreibern schicken
lassen.


Für weitere
Informationen:


Alfred
Weidmann, Vorstandsmitglied AefU, 078 714 45 29


Jean-Jacques Fasnacht,
Präsident von PSR/IPPNW Schweiz, 052 319 14 00


Martina Munz, SP-Nationalrätin, 079 744 44 10


Florian Kasser, Atomexperte von Greenpeace Schweiz, 076
345 26 55


Marco Fähndrich, Medienbeauftragter von Greenpeace
Schweiz, 079 374 59 73