Ionisierende Niedrigstrahlung macht krank: Alte und neue Erkenntnisse – und was sagen die Behörden dazu?

Ionisierende Strahlung – für unsere Sinne nicht wahrnehmbar – ist eine in der Natur weit verbreitete Energieform. Der menschliche Organismus nimmt Radionuklide über die Atmung sowie mit der Nahrung auf. Der Körper ist auch äusserer – kosmischer und terrestrischer – Strahlung seit jeher natürlicherweise ausgesetzt. Diese Energie ist in der Lage – sei es z.B. als elektromagnetische oder als Teilchen- (Alpha-, Beta-) Strahlung – , die Erbsubstanz in Körperzellen zu verändern. Ein hochkomplexes Reparatursystem korrigiert diese genetischen Zellschäden in der Regel. Wird es jedoch überlastet, kann dies zu schweren Krankheiten wie Krebs (gut bekannt ist Krebs durch Radongas) und zu Herz-/Kreislaufkrankheiten (wie Herzinfarkten und Gehirnschlägen) sowie zu Fehlbildungen und Erbschäden bei den Folgegenerationen führen.

Künstliche Quellen ionisierender Strahlung sind erst seit gut 120 Jahren bekannt. Bereits kurz nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen wurden bei exponierten Personen massive Gewebeschäden und lebensbedrohliche Krankheiten festgestellt. Die systematische Erforschung der Strahlenwirkungen ergab, dass sowohl hohe Strahlendosen (definiert als effektive Dosis über 100 Millisievert) aber auch niedrigere Strahlendosen („ionisierende Niedrigstrahlung“) dosisabhängige Effekte auslösen können. Bahnbrechend waren dabei die Erkenntnisse aus Studien zu Überlebenden der Atombombenabwürfe in Japan 1945 sowie die röntgendiagnostischen Untersuchungen an Schwangeren: Es fand sich bei ihren Kindern eine 50% Zunahme der Krebshäufigkeit bereits bei einer Strahlendosis von 10 Millisievert. Diese Erkenntnisse aus den 1950er-Jahren wurden kürzlich vollauf bestätigt. Sie bilden die Grundlage für die medizinische Strahlenschutzgesetzgebung.

Auch im Bereich der kommerziellen Atomenergienutzung stellt die Strahlenbelastung durch ionisierende Niedrigstrahlung einen wichtigen Gesichtspunkt dar – bei Unfällen wie 1986 in Tschernobyl und 2011 in Fukushima, aber auch im regulären Betrieb: In der ganzen nuklearen Kette von der Urangewinnung über die Brennstoffproduktion sowie bei Kernkraftwerk-Emissionen im «Normal- und Revisionsbetrieb» bis hin zur Atommüll-Entsorgung muss die Strahlenexposition berücksichtigt werden.

Die aktuellen, für den Nuklearbereich massgebenden Strahlenschutzrichtlinien der Internationalen Strahlenschutzkommission ICRP stammen aus dem Jahr 2007. Sie sind in vieler Hinsicht veraltet – eine zeitnahe Revision drängt sich auf. Auch in der Schweiz stützt sich die Gesetzgebung – wie in einem Dokument des Bundesrates vom 2.3.2018 festgehalten – auf die ICRP. Kernpunkt der gegenwärtigen Diskussion ist die – unverständliche – Feststellung in einem Faktenblatt des Bundesamtes für Energie BFE vom 7.12.2018  «Statistische Auswertungen bei grösseren Bevölkerungsgruppen zeigen, dass bei Strahlendosen unterhalb von 100 mSv keine Gesundheitseffekte nachweisbar sind».

PSR/IPPNW Schweiz setzt sich seit Jahrzehnten für die Anerkennung der gesundheitlichen Risiken durch ionisierende Niedrigstrahlung ein. Die Veranstaltung vom 23.11.2023  dient der Information der Öffentlichkeit über den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisstand sowie der Diskussion mit den massgebenden Behörden.

Literatur: Risiken-ionisierender-Niedrigstrahlung-SAEZ-2022-103-36-37-39.pdf (ippnw.ch)