Überprüfungskonferenz zum Atomsperrvertrag (NPT ReviewConference, Rev Con) – Bilanz aufgrund des Schlussdokuments vom 28. Mai 2010

Der Atomsperrvertrag (NPT für Nonproliferation Treaty) wurde in den letzten Wochen bekanntlich an einer grossen UNO Konferenz in New York revidiert, ein Prozess über den der beiliegende Artikel orientiert. Zusammenfassend ist zwar eine gewisse Verwässerung des Textes des Schlussdokuments zu verzeichnen, provoziert durch die traditionellen Atommächte. Diese wurden jedoch neu gehalten, einem konkreten Aktionsplan zuzustimmen und diesen an der Vorbereitungskonferenz 2014 zu präsentieren. Die zu beschreibenden Massnahmen sollen aufzeigen, wie Artikel VI der NPT konkret umgesetzt werden könne. Eine Nuklearwaffen Konvention (NWC) wurde neu von vielen Ländern und auch der Schweiz vorgeschlagen und als interessante Option anerkannt, aber weder beschlossen. Damit kann eine NWC zumindest nicht mehr als kontraproduktiv oder utopisch abgetan werden. Im Mittleren Osten muss 2012 zwingend eine Konferenz zum Thema “Nuklearwaffenfreie Zone Mittlerer Osten” stattfinden, und zwar unter Beteiligung von Israel. Insgesamt bedeutet das Schlussdokument ein bescheidener wenn auch wichtiger Fortschritt auf dem Weg zur weiteren nuklearen Abrüstung und das Treffen ist als positiv einzustufen. 

von Andreas Nidecker

Die vollständige globale nukleare  Entwaffnung und die Verhinderung der atomaren Nicht-Weiterverbreitung sind auch nach der vor Kurzem abgeschlossenen NPT Rev Con (NPT für  Nuclear Nonproliferation Treaty) die Ziele der Weltgemeinschaft.

Was an diesem grossen UNO Treffen in New York City unter den beteiligten Atomwaffenstaaten (NWS für Nuclear Weapon States) und der grossen Mehrheit der Nicht-Atomwaffennationen (NNWS) diskutiert wurde und schliesslich ins Schlussdokument eingeflossen ist, bedeutet für viele Länder, aber auch für die anwesenden Nichtregierungsorganisationen eventuell eine leichte Enttäuschung. Im Vorfeld und während der Konferenz hatte latenter Optimismus geherrscht, der etwas enttäuscht wurde, jedoch beurteile ich unter dem Strich die Bilanz doch als positiv. Gemäss der Meinung des Präsidenten der Konferenz, seiner Exzellenz, dem philippinische Botschafter Libran Cabactulan, sei das Dokument “das Beste was erhofft werden konnte…”. Ein letzter Entwurf wurde dann auch als Schlussdokument von der Generalversammlung akzeptiert. Dieser Text scheint die hauptsächlichsten Anliegen aller Delegationen zu berücksichtigen. Natürlich muss abgewartet werden, ob den erzielten Kompromissen von den verschiedenen Nationen in dem kooperativen Geist nachgelebt werden wird, wie dies UN Generalsekretär Ban Ki-moon verlangt.

Verhalten der Atommächte

Leider haben Frankreich, Russland, England und die USA (P4 der 5 traditionellen Atommächte P5) erreicht, dass die Abrüstungsaspekte im Text eher verwässert wurden. Diese P4 sind offenbar nach New York gefahren im Glauben, dass sie für den Moment schon genügend abgerüstet hätten und vorderhand nicht noch mehr zu tun hätten. Die USA und Russland scheinen sich momentan sogar damit zu begnügen, nur das NEW START Abkommen, um das lange gerungen wurde, in ihren beiden Ländern endlich zu ratifzieren und in Kraft setzen zu können, wozu es in den USA von republikanischer Seite aber Widerstand gibt. Ein schwieriger Punkt in den Diskussion zwischen den P4 (USA, England, Russland und Frankreich) und der Mehrheit der Nationen war Paragraph 83 des Schlussdokuments, wo zwar bestätigt wurde, dass die Schlussphase des Abrüstungsprozesses auf juristischem Wege begleitet werden müsse, jedoch bezgl. Zeitrahmen nur gesagt wurde, dass „eine Mehrheit der Staaten glaube, dass dafür ein bestimmter Zeitrahmen festgesetzt werden müsse…”. Die P4 wollten auch keine Hinweise hinsichtlich Modernisierung oder Entwicklung ihrer Atomwaffen, und ein entsprechender Abschnitt, der die Atommächte dazu verpflichtet hätte, wurde im Schlussdokument wieder gestrichen. Er wurde durch eine schwammige Formulierung ersetzt, die im Prinzip auf eine „Nur nichts tun“ Haltung der NWS hinausläuft. So sagt sie nur, dass die legitimen Interessen der NNWS anerkannt würden, dass sie – die NWS – die Entwicklung und qualitative Verbesserung ihrer Atomwaffen zurückhaltend vorantreiben sollten und keine neuen fortgeschrittene Waffen entwickeln würden. Auch der Abschnitt, der sich mit den Atomtests befasst, verpflichtet die NWS nicht mehr, diese zu beenden, sondern anerkennt nur noch, dass Atomteststops die Modernisierung von Waffen nicht behindern würden.

Aktionsplan und sprachliche Feinheiten

Im Rahmen eines abgesegneten Aktionsplan sagt Aktion 1 also immerhin, dass alle Länder “parties” sich verpflichten eine Politik zu verfolgen, die voll mit dem Text der NPT vereinbar sei. Jedoch wurde die Sprache eher etwas verwässert, sodass die “NWS regelmäs-sige Konsultationen nicht mehr abhalten müssten”, sondern “dass die besprochenen Massnahmen bald in Angriff genommen werden müssten”. Sprachlich gibt es weitere Feinheiten wie der Text von Aktion 5a der schreibt, dass “die NWS sich engagieren müssten, schnell in Richtung einer umfassenden globalen nuklearen Abrüstung zu bewegen”, während sie gemäss früherer Formulierung “sich konsultieren sollten, das Ziel einer nuklearen Reduktion schnell zu erreichen”. Aktion 5b betreffend der nuklearen Teilhabe (nuclear sharing) wurde umformuliert: statt dass sich die NWS „konsultieren müssten, um die Fragen aller Typen von Atomwaffen auf den Gebieten der NNWS zu besprechen“, müssen sie sich jetzt nur „bemühen, im Hinblick die Fragen aller Atomwaffen, ungeachtet des Typs und des Orts der Stationierung, und zwar im Rahmen des allgemeinen Abrüstungsprozesses Einigkeit zu erzeilen”. Aktion 5e betrifft das „De-Alerting“ bzw. die Reduzierung der Alarmstufen der Atomwaffen. Dort müssen die NWS neu die „legitimen Interessen der NNWS im Rahmen ihrer Reduzierung des Operationsstatus ihrer Atomwaffen berücksichtigen“. Zuvor mussten dafür noch direkt „Wege gesucht werden, wie der Operationsstatus der Atomwaffen reduziert werden könnte“. Der Schlusstext ist auch spezifischer als die Version 2000 bezgl. Berichterstattung: Er „ermuntert alle NWS, so bald als möglich, sich auf einen Standard der Berichterstattung zu einigen und angemessene Zeitintervalle zwischen der Berichterstattung festzulegen”. Während der Rahmen für die Implementierung der im Aktionsplan besprochenen Massnahmen durch textliche Verwässerung etwas geschwächt wurde, kann doch festgestellt werden, dass die NWS zu spezifischen Massnahmen verpflichtet werden. Dazu besteht interessanterweise jetzt auch eine Zeitlimite, bis wann diese „Aktionen” durchgeführt werden müssen: Die NWS müssen zwingend bis zur Sitzung der NPT  Vorbereitungskonferenz (Prep Comm) 2014 berichten und die NPT Review Konferenz 2015 wird dann „evaluieren und die nächsten Schritte für die volle Implementierung von Artikel VI beschliessen“, was doch als einigermassen positive Bestimmung angesehen werden kann.

Mittlerer Osten

Im Schlussdokument wird neu auch der mittlere Osten erwähnt, wobei im Jahre 2012 zwingend eine Konferenz zum Thema “Atomwaffenfreie Zone Mittlerer Osten” (NWFZ ME) einberufen werden muss. Dafür muss ein “Facilitator” (Organisator) gefunden werden, welcher die Konferenz vorzubereiten hat. Während bisherige UNO Resolutionen zwar immer wieder eine NWFZ ME verlangt haben, ist man jetzt diesbezüglich einen Schritt weitergegangen und will in 2 Jahren Fortschritte sehen: erwähnt wird sogar, dass Israel bei diesem Prozess mitmachen müsse. Iran, das im Gegensatz zu Israel die NPT unterzeichnet hat, wird trotz seinen eventuellen klandestinen Vorbereitungen für eine mögliche Atomwaffenproduktion aber nicht erwähnt. Wir können aber feststellen, dass ein Anliegen, das wir vor einigen Jahren schon auf dem Monte Verità besprochen hatten, jetzt auch konkret von der NPT Rev Con aufgenommen  worden ist.

Nuklear Waffen Convention (NWC) – Wir habens geschafft!

Ich zitiere hier den Projekt Manager der IPPNW John Loretz der folgendes schreibt: „Nach zähen Verhandlungen hat das Schlussdokument der NPT Rev Con in seinem Aktionsplan ausdrücklich die Möglichkeit einer NWC erwähnt, welche die konkreten Schritte aufzeigt, wie Artikel VI der NPT erfüllt, bzw. die nukleare Abrüstung erreicht werden kann. Während natürlich ein Unterschied besteht, zwischen der Erwähnung einer NWC und der Auflistung konkreter Schritte, wie eine atomwaffenfreie Welt dereinst geschaffen werden kann, wird die NWC zum ersten Mal als Teil des Schlussdokuments erwähnt. Und eindrücklich war es, wie dies alles möglich wurde. Zunächst das gemeinsame Anliegen vieler Staaten, unter Anderem auch der Schweiz, die ein stures “Nein” zu einer Nuclear Weapons Convention einfach nicht akzeptiert haben. Dann ein der Sache gegenüber sehr positiv gesinnter Vorsitzender und letztlich viele NGO’s, die seit Monaten ihren entsprechenden Länder Vertretungen klar gemacht haben, dass jetzt die Zeit für eine NWC gekommen sei und dass sie, die diplomatischen Vertreter der betreffenden Nationen es seien, die dies jetzt ermöglichen könnten. Jedoch kann in Zukunft die NWC nicht mehr als naiver und prämaturer Vorschlag disqualifiziert werden und die Mitgliedsstaaten der NPT selber haben die NWC also aus ihrer bisherigen Versenkung geholt.“

Rolle der Schweiz

Das Statement von Frau Bundesrätin Calmy-Rey anlässlich der Eröffnung der Konferenz fand viel Beachtung, vor allem ihre dezidiert geäusserte Meinung, dass Atomwaffen gleichzeitig “unbrauchbar, unmoralisch und illegal” seien. Zur abschliessenden Rolle der Schweiz zitiere ich gern unseren werten Berater Prof. Harald Müller: “Hier auf der (NPT) Konferenz schlagen sich die Schweizer prächtig. Unter den Industrieländern haben sie sich das beste Antikernwaffenprofil geschaffen und mit der humanitären Thematik auch eine neue Front in der Debatte eröffnet, die es vorher auf dem diplomatischen Parkett nicht gab, nicht mal nach dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs, und auf der man aufbauen kann. Chapeau!”

Damit ist das Resultat der NPT Rev Con zwar nicht berauschend, doch immerhin als positiv zu bezeichnen. Die diplomatischen Arbeiten um NWFZ im Mittleren Osten, aber auch hier in Europa und im Bereich der Arktischen Region gehen – auch für uns von der IPPNW – also weiter. Unsere Erfahrung und der gute Ruf, den sich die Schweizer Diplomaten anlässlich der NPT Rev Con erworben haben, wird eventuell weiterhin eine Zusammenarbeit zwischen unseren Landesbehörden und unserer NGO ermöglichen.